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Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl

Operette von Jacques Offenbach.

Text nach Johann Nepomuk Nestroy. Bearbeitung: Stephan Benson. Musikalisches Arrangement: Till Löffler

BIBERHUHN Lassen wir das! Das Thema ist zu delikat.

ABENDWIND (für sich) Ach ja! Delikat war ihr Seliger.

BIBERHUHN (für sich) Ich habe noch nichts Köstli­cheres gespeist als den alten Erwin Abendwind.

ABENDWIND (laut) Wir werden sentimental, und eigentlich wollten wir doch Regierungs­geschäfte besprechen?

BIBERHUHN Richtig, meine Allerwerteste, ich komme, um unsere leidigen Grenzstreitigkeiten ein für alle Mal beizulegen.

ABENDWIND Wie wunderbar. Im Grunde wollen wir doch beide nur in Ruhe unsere paar Bananen verzehren …

BIBERHUHN ... und mit kuhwarmer Kokosmilch unser Stückchen Gefangenen herunterspülen.

Weit, weit weg von uns, auf einer einsamen Insel in Ozeanien...
Jim McLair, Naturforscher, einem breiten Publikum durch seine Fernsehsendung Terra Incognita bekannt, hat sich in die Südsee begeben, um die Sitten der letzten dort angeblich lebenden Kannibalen zu erforschen – und dem sensationsliebenden Fernsehpublikum näher zu bringen. Jim McLair weiss: Die neue Folge muss ein Knaller werden. Denn wenn sie nicht die geforderten Einschaltquoten hat, bedeutet es das "Aus" für Jim McLair und seine Sendung. Doch er ist guter Dinge: Die einsame Insel mit den angeblich dort hausenden letzten Kannibalen scheint einiges an Sensationspotential zu bergen. Auf der Insel langweilen sich unterdessen ein paar Aussteiger. Ihr geheimes Inselparadies ist inzwischen so geheim, dass gar niemand mehr dort auftaucht. Es gibt nichts mehr zu essen, und überhaupt ist das Dasein ziemlich öde geworden. Da kommt so ein Fernsehjournalist doch gerade recht! Wenn die Insel erst mal im Fernsehen zu sehen war, dann werden sicher auch die Touristen das entlegene Ferienparadies wiederentdecken. Sensationen will der Journalist? Kannibalismus? Kann er haben! Also verkleiden sich die Aussteiger als Kannibalen und spielen dem Journalisten eine haarsträubende Geschichte vor: Häuptling Abendwind, Oberhaupt eines als Matriarchat organisierten Stammes, erwartet ihre Erzfeindin, Häuptling Biberhuhn, zu einem Versöhnungsmahl. Angesichts der Tatsache, dass die beiden Häuptlinginnen vor einiger Zeit den Mann der jeweils anderen verspeist haben, dürfte das mit der Versöhnung nicht so ganz einfach werden. Erst recht, weil eine Versöhnung ohne ein üppiges Versöhnungsmahl doppelt schwierig scheint. Menschenfleisch hat es allerdings schon seit geraumer Zeit keines mehr gegeben, und der Hunger von Häuptling Abendwind und ihrem Stamm ist gross. Da kommt ein unerwartet von einem Sturm an Land geschwemmter Fremdling gerade recht! Dumm nur, dass Atala, Abendwinds Tochter, sich Hals über Kopf in diesen attraktiven jungen Mann verliebt – aber nicht nur das: Nach dem gemeinsamen Festmahl und einer ersten Annäherung der beiden verfeindeten Häuptlinginnen scheint sich herauszustellen, dass es ausgerechnet der nach langer Abwesenheit sehnlichst zurückerwartete Sohn Biberhuhns war, der soeben gemeinsam verspeist wurde...

Jacques Offenbachs einaktige Operette Le Vent du soir ou L’horrible festin wurde 1857 im Pariser Théâtre des Bouffes-Parisiens uraufgeführt. Ihre deftige Komik gefiel schon Johann Nestroy, der das Stück 1861 bei einem Gastspiel des Offenbach-Ensembles in Wien sah; er schrieb eine deutsche Fassung und brachte diese 1862 – natürlich mit sich selbst in der Titelrolle – zur Uraufführung.

Für die Fortsetzung unserer Kooperation mit dem Opernhaus Zürich, die mit Mozarts «Der Schauspieldirektor» vor zwei Jahren sehr erfolgreich begann, hat Stephan Benson die herrlich absurde Story in eine zeitgenössische Form gebracht. Mit Rüdiger Burbach als Regisseur und Thomas Barthel als musikalischem Leiter kommt wieder das gleiche Leitungsteam zusammen wie beim «Schauspieldirektor».

Jacques Offenbach (1819–1880) gilt als der Erfinder der Operette. Der geborene Kölner zog 1833 nach Paris und studierte Violoncello. 1855 gründete er seine eigene Bühne, die «Bouffes Parisiens». Dort wurde 1858 auch «Orpheus in der Unterwelt» als Prototyp der Operette uraufgeführt. Offenbach schuf über 100 Bühnenwerke. Zu den bekanntesten zählen «Die schöne Helena», «Pariser Leben» und «Die Grossherzogin von Gerolstein». 

Johann Nepomuk Nestroy (1801-1862) war ein österreichischer Schauspieler, Sänger und Possendichter. Künstlerische Stationen zunächst als Opernsänger, später als Komödiant: Wien, Amsterdam, Brünn, Graz. Ab 1831 spielt er am Theater an der Wien. Dort feiert Nestroy nicht nur als Schauspieler grosse Erfolge, sondern macht auch erste Schreibversuche. 1833 gelingt ihm mit «Lumpazivagabundus» endgültig der Durchbruch. Er wird zur Leitfigur des Wiener Volkstheaters, brilliert als Schauspieler künftig vor allem in eigenen Stücken, die er sich auf den Leib schreibt.

Stephan Benson studierte Schauspiel in Stuttgart. Neben einer erfolgreichen Karriere als Theater-, Film- und Fernsehschauspieler sowie als Sprecher, Rezitator und Synchronsprecher verfasste er verschiedene Kinderstücke, Spoken-Word-Performances, Hörspiele und Liederabende. Für das TZ schrieb er die Jukebox-Musicals «Beatles for Sale» und «Falling in Love» . Für Mozarts «Der Schauspieldirektor» schuf er ein neues Libretto.

Mit:

Alina Adamski, Boguslaw Bidzinski, Katharina Peetz, Katharina von BockFabienne HadornStefan Lahr.
Instrumentalensemble des Opern­hauses Zürich. Mehr Infos, auch zu den Sänger*innen erhalten Sie auf der Website des Opernhaus Zürich

Regie

Rüdiger Burbach

Musikalische Leitung

Thomas Barthel

Bühne und Kostüme

Anja Furthmann

Choreografie

Meret Hottinger

Premiere

14.09.2017

Spieldauer

ca. 80 Minuten. Keine Pause.

Koproduktion mit:

Trailer zum Stück

Pressezitate

«Ein grosser Spass.» Tages-Anzeiger

«Die Mischung der Genres gelingt toll und unerwartet.» Neue Zürcher Zeitung

«Till Löfflers Bearbeitung trifft überhaupt sehr schön Stimmung und Charakter der Offenbachiade.» Der Landbote

«Die Qualität der Musik und der Besetzung boten Hervorragendes.» Schaffhauser Nachrichten

«Herrlich das Overacting der Schauspieler (Katharina von Bock, Fabienne Hadorn, Stefan Lahr).» Tages-Anzeiger

«Der Umgang mit der Musik ist dabei erfreulich undogmatsich und ironisch.» Neue Zürcher Zeitung

«Die Sängerinnen und Sänger brillierten mit wunderschönen Stimmen, vielfältigem Ausdruck und urkomischem schauspielerischem Talent.» Schaffhauser Nachrichten

«Ouvertüre und sieben Nummern hat Offenbach für sein Quartett der Stimmen komponiert, grösstenteils turbulente Ensembles, in denen das auch  musikalisch sattelfeste TZ-Trio und das Opernstudio perfekt zusammengehen.» Der Landbote

«Katharina von Bock, Fabienne Hadorn und Gemma Ni Bhriain zeigten sich als umwerfend komische Menschenfresserinnen, und last but not least: Stefan Lahr in der Sprechrolle des schwäbelnden (sic), verschrobenen Naturforschers ... stahl mit seiner unübertrefflichen Komik allen die Show.» Schaffhauser Nachrichten